Am 8. Mai 2019 haben die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Unterrichtsausschuss des
Nationalrats das Kopftuchverbot an Volksschulen als einfachgesetzliche Regelung finalisiert und am 15. Mai im Nationalrat beschlossen.
Betroffen sind ausschließlich muslimische Mädchen bis zu ihrem 11. Geburtstag, die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs umfasst das Verbot nicht wie aus diversen Unterlagen hervorgeht.
Bereits vor Monaten hat die IDB bezugnehmend auf das geplante Kopftuchverbotsgesetz darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz weder kinderrechts- noch menschenrechtskonform ist und eine Diskriminierung der betroffenen Schülerinnen darstellt.
Als IDB fordern wir seit mehr als 3 Jahren die lückenlose Umsetzung der UN-Kinderrechts Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention im österreichischen Bildungswesen. Die österreichische Bundesregierung hat mit diesem Gesetz einen anderen Weg eingeschlagen und gießt damit Diskriminierung in Gesetzesform, was eine schwere Menschenrechtsverletzung darstellt.
Die Monitoringstelle der UN-Kinderrechtskonvention hält in ihrer jüngsten Publikation „Die Religionsfreiheit von Kindern im schulischen Raum“ folgendes fest:
„Die Menschenrechte von Kindern gelten auch im schulischen Raum. Dies betrifft auch die Religionsfreiheit; dabei ist zu beachten, dass auch für Kinder Religion und religiöse Zugehörigkeit eine identitätsprägende Relevanz haben können.“
„Maßgebend ist für den schulischen Raum Art. 29 Art. 1 lit. d) UN-KRK: Dieser statuiert das verbindliche Bildungsziel, Kinder auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geiste der Verständigung und Toleranz unter anderem zwischen allen religiösen Gruppen vorzubereiten. Hieraus folgt die Verpflichtung, dass die Schulumgebung selbst Rahmenbedingungen bieten muss, die Vielfalt, auch in religiöser Hinsicht, ermöglichen. […] Durch Art. 29 Art. 1 lit. d) UN-KRK wird sichtbar, dass auch im schulischen Raum kein weitergehender Spielraum besteht, das Recht auf Religionsfreiheit einzuschränken – dies gilt für die Religionsfreiheit von Schüler_innen und Lehrer_innen gleichermaßen.“
Unmittelbar betroffene Rechte von Kindern und Eltern
„Die Religionsausübung kann sich unterschiedlich manifestieren; auch das Tragen von Symbolen beziehungsweise Kleidungsstücken aus einer religiösen Motivation heraus gehört dazu. […] Im Hinblick auf einige religiöse Praktiken – etwa das Tragen eines Kopftuchs – wird oft vertreten, dass diese von der jeweiligen religiösen Lehre nicht als zwingendes Gebot verstanden wird; […] Der Staat darf sich jedoch keine Deutungshoheit über eine religiöse Lehre anmaßen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des UN-Menschenrechtsausschusses müssen Betroffene lediglich eine religiöse Motivation plausibel darlegen, damit eine Verhaltensweise in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt. […] Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat bereits festgestellt, dass Kopftuchverbote an Schulen die uneingeschränkte Verwirklichung des Rechts auf Religionsfreiheit von Kindern verhindern.“
Eine Verbotsnorm verletzt das Recht auf Religionsfreiheit der Kinder, die aus freien Stücken ein Kopftuch tragen, und kann ferner das Recht auf Bildung beziehungsweise das Recht auf gleiche Chancen beim Zugang zur Bildung beeinträchtigen, zu Ausschluss und Marginalisierung führen und damit Diskriminierung befördern.
Die IDB fordert deshalb die österreichische Bundesregierung dazu auf, von dieser eindeutig diskriminierenden und kinderrechtswidrigen Gesetzesnovelle Abstand zu nehmen! Ebenso fordern wir alle Oppositionsparteien dazu auf, diese Novelle nicht als „Symbolpolitik“ zu verharmlosen.
Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen
Wien, 15.5.2019